Internationale Experten beschreiben schonungslos den Zustand der weltweiten Wirtschaft, den Finanzen, und warum Zentralbanker mittlerweile echte Angst haben. Ist Helikoptergeld für die Bürger eine Lösung?
Die USA wird immer nationalistischer, Europa kränkelt vor sich hin, China dagegen wird immer stärker und autoritärer. Wie wirkt sich dies auf die Weltwirtschaft aus?
Bill Dudley war Präsident der Federal Reserve Bank of New York, der wichtigsten Tochter der US-Notenbank, der Fed. Kürzlich hat er erklärt, die Fed müsste eine allfällige Wiederwahl von Donald Trump als ernsthafte Bedrohung der Wirtschaft betrachten und dementsprechend reagieren.
Es ist mehr als ungewöhnlich, dass Notenbanker sich in dieser Art äussern, selbst dann, wenn sie nicht mehr im Amt sind. Doch Dudley ist keine Ausnahme. Philipp Hildebrand, der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, hat soeben die Finanzwelt mit einem Gastkommentar in der «Financial Times» verblüfft.
Darin warnt Hildebrand vor einer kommenden Rezession der Weltwirtschaft und fordert die Zentralbanken auf, selbst ungewöhnliche Massnahmen ins Auge zu fassen, denn «die Verantwortlichen für die Geldpolitik haben keine Munition mehr, um eine Rezession, ganz zu schweigen von einer ausgewachsenen Krise, zu bekämpfen.» Hildebrand fordert deshalb einen Plan, wie man billiges Geld nicht via Banken, sondern direkt an die Bürger verteilen kann (sog. Helikopter Geld).
Was ist Helikoptergeld?
Helikoptergeld (englisch helicopter money) betrifft einen besonderen Fall der Ausweitung der Geldmenge durch Geldschöpfung (im Prinzip dem „Geld drucken“ einer Zentralbank). Dabei wird das neu geschaffene Zentralbankgeld nicht wie sonst üblich an Staat oder Banken ausgehändigt, sondern direkt an die Bürger ausgezahlt (unbürokratisch gestreut).
Ziel dieser extremen Form expansiver Geldpolitik ist es, dann durch vermehrte Konsumausgaben der Bürger (Käufe von Waren), die Realwirtschaft anzukurbeln, ein angestrebtes Inflationsziel zu erreichen, beziehungsweise Deflation zu vermindern. Das bildhaft bezeichnete fiskalpolitische Konzept des Helikoptergeldes hat historische Vorläufer, die teilweise in manchen Ländern auch praktisch umgesetzt wurden. Kritiker nannten es allerdings ökonomischen Analphabetismus.
Das radikale Konzept wird seit 2015 als Erweiterung zu bisherigen Maßnahmen wie „Quantitative Easing“ (Geld drucken“ damit der Staat damit Aufträge an die Wirtschaft vergeben kann) und Negativzins diskutiert. Dies nur, falls andere Maßnahmen die wirtschaftspolitischen Erwartungen nicht erfüllen.
Der Name „Helikoptergeld“ deshalb, da das neu gedruckte Geld unbürokratisch dann gestreut wird. Ähnlich als würde man Geldscheine aus einem Helikopter über einer Stadt abwerfen. Mehr Informationen zum Konzept des „Helikopter Gelds“ finden sie auch in Wikipedia.
Auch ohne „Helikoptergeld“ wird es schlimm.
Die amtierenden Chefs der Notenbanken denken derweil über viele drastische Maßnahmen nach. Fed-Präsident Jerome Powell will angeblich noch im September die Leitzinse erneut senken, und zwar um 50 Basispunkte.
Eigentlich wurden ja von der FED für 2019 Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Dies bedeutet deshalb einen sehr großen Vertrauensverlust in das US Finanzsystem. Es zeigt aber auch ganz klar, um die Wirtschaft zu retten hat die US Notenbank nun die Kontrolle über Geld und Finanzen aufgegeben. Das es soweit kommen könnte, wurde bereits in einem Human Investor Blog Beitrag Januar 2019 von uns prognostiziert.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) will die Zinsen weiter drücken.
Mario Draghi, der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank, will die ohnehin noch negativen Leitzinsen noch weiter drücken. Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde fordert Europas Regierungen auf, Ankurbelungsprogramme zu lancieren. Wir berichteten darüber in einem Blogg Beitrag vom 02. August 2019.
Die Angst der Zentralbanker ist jedoch verständlich.
Die Zuckungen der Aktienbörsen sind so etwas wie das Zurechtrücken der Liegestühle auf dem Deck der Titanic. Der Rezessions-Eisberg ist bedrohlich nahe. Nicht die einzelnen Mosaiksteine sind bedrohlich, sondern das gesamte Bild. Adam Tooz beschreibt es in der «New York Times» wie folgt: «Die Aussicht auf die Weltwirtschaft ist düster: Europa leidet an Schwindsucht, die USA an Nationalismus und China wird stärker und autoritär.»
Wie weiter? Auch die Broker an den Börsen sind ratlos.
Nach deren Meinung wird US Präsident Trump immer mehr zum Gefangenen der Investoren. An der Wall Street liefern sich Bären und Bullen (Pessimisten, resp. Optimisten) einen wilden Kampf um die Lufthoheit über die Aktienbörse. Jeder Tweet des Präsidenten löst wilde Kursreaktionen aus. Doch die Einsicht wächst, dass zwischen Washington und Peking im besten Fall ein zeitlich begrenzter lahmer Kompromiss im bestehenden Handelskrieg möglich ist.
Trump allerdings will davon nichts wissen. Einmal mehr droht er, den Konflikt gar noch auszuweiten. So twittert er: «Allen Genies da draussen, die glauben, ich müsse zusammen mit der EU gegen China vorgehen, sei gesagt: Die EU behandelt uns ebenfalls sehr UNFAIR.»
Im Klartext soll das wohl heißen: „Wenn ich mit den Chinesen fertig bin, kommen die Europäer dran“. Nicht nur dieser Tweet ist unsinnig. Der Präsident hat einen katastrophalen Sommer hinter sich. Grönland-Debakel, Streit mit Juden, Streit mit seinem eigenen Fed-Präsidenten, Streit mit angeblich ehemaligen Speichelleckern (Scaramucchi) – ja selbst Streit mit seiner Hauszeitung Fox News.
Im Weissen Haus beginnt man daher, sich ernsthaft Sorgen um die geistige Gesundheit des Präsidenten zu machen. So hat er übers Wochenende einmal mehr erklärt, er habe noch nie von einem Kategorie-5-Hurrikan gehört, obwohl sich allein in seiner Amtszeit drei davon ereignet haben.
Ein wirrer Präsident an der Spitze der nach wie vor einzigen Supermacht – kein Wunder, schlafen die Zentralbanker schlecht.
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