Die Geschichte des Euro ist eine Chronik der Lügen

Bei der Zusammenstellung der Daten für die Human Invest Jahresprognose 2024, sind die Mitglider unserer Redaktion (Think Tanks) auf Erschreckendes gestossen. Nämlich den Zustand der Euro Währung.

Der Euro kann eigentlich nur überleben wenn er endlich erfüllt was bei seiner Einführung versprochen wurde. Der vor 25 Jahren aus der Taufe gehobene Euro sollte die Europäer vereinen, aber er hat sie real betrachtet vor allem entzweit.

Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis schickte seinem damaligen Gegenpart Wolfgang Schäuble kürzlich noch in den Tod Verwünschungen hinterher: „Die Geschichte wird ihn hart beurteilen, aber nicht härter als diejenigen, die seiner destruktiven Politik erlegen sind.“

In der Euro-Krise von 2010 bis 2015 war Schäuble eine treibende Kraft hinter Spardikaten für überschuldete Länder wie Griechenland gewesen. Die Griechen mussten niedrigere Sozialleistungen und einen gesunkenen Lebensstandard hinnehmen, um mit Finanzspritzen über Wasser gehalten zu werden.

Unterstützung gegen Auflagen für die Euro-Partner Irland, Portugal, Spanien und Zypern folgte. Die Euro-Zone teilte sich in Bittsteller und Gönner. Vorurteile über angebliche Nationalcharaktere („Club Med“) verfestigten sich, die Deutschen machten sich als vermeintliche Lehrmeister unbeliebt.

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Auch in der Bundesrepublik selbst begann sich ein Graben zu bilden. Die Antwort auf das Diktum von Bundeskanzlerin Angela Merkel („Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“), die ihren Rettungskurs als „alternativlos“ deklarierte, war 2013 die Gründung der „Alternative für Deutschland“ (AfD).

Im selben Jahr erregte eine Analyse der Bundesbank Aufsehen, derzufolge ein typischer Haushalt in Deutschland über ein Nettovermögen von 51.400 Euro verfügte, in Italien hingegen über 163.900 Euro und in Spanien über 178.300 Euro.

Schuldenkrise trotz hochheiliger Stabilitätsversprechen

Schon damals wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich eigentlich nicht um eine Euro-, sondern um eine Staatsschuldenkrise handelte. Wenn die Euro-Staaten in ihrem gewohnten Stil weitermachen, könnten sie auf die nächste derartige Krise zusteuern.

Die Geburt des Euros am 1. Januar 1999 (zunächst nur als so genanntes „Buchgeld“ zur Verrechnung und für elektronische Zahlungen; die Bargeldausgabe folgte 2002) war von zahlreichen hochheiligen Schwüren begleitet.

Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel wurde nicht müde, voller Inbrunst zu betonen: „Drei Prozent heißt 3,0.“ Die im Vertrag von Maastricht niedergelegten Stabilitätskriterien für die neue Wirtschafts- und Währungsunion sahen unter anderem vor, dass das jährliche Defizit ihrer Mitglieder grundsätzlich nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen sollte, der öffentliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent.

Die Schulden-Sünden Deutschlands und Frankreichs machten Schule

Für die Gültigkeit solcher Gelübde waren nach dem Urteil der Europäischen Kommission ausgerechnet die beiden größten Euro-Länder, Deutschland und Frankreich, schnell „das allermieseste Vorbild“, da sie „im Zuge der Rezession 2001/2002 selbst die Maastricht-Kriterien nicht einhielten und zu Lügnern wurden. Die beiden Euro-Schwergewichte begannen dann schamlos eine lange Reihe von Verstößen gegen die Stabilitätsvorgaben des Maastricht-Vertrags durchzusetzen. Wortbruch folgte auf Wortbruch.

Hunderte davon hat der deutsche Wirtschaftsexperte und frühere langjährige Mitarbeiter der Bundesregierung Ralf Zeppernick gezählt. Der CSU-Finanzexperte im Europäischen Parlament, Markus Ferber, bemängelt, „dass Frankreich in den vergangenen 15 Jahren die Defizitgrenze 14 Mal gerissen hat“. 2022 wies das drittgrößte Euro-Land Italien mit acht Prozent das größte Defizit aller EU-Länder auf. Alles weit weg von den damaligen Euro Fantasien eines Theo Waigel, mit seiner angedachten 3% Maximalverschuldung. Der Traum einer richtig stabilen Währung ist längst ausgeträumt und kann heutzutage nur noch mit internationalen Finanztricks realisisert werden. . Und dies hat sich auch nicht merklich gebessert. Möglicherweise wird Italien sogar zum Sargnagel für den Euro. Lesen Sie hierzu auch den Beitrag über Italiens Schuldenkrise.

„Wahre Staatsschuld“ viel höher als offiziell angegeben  

Die wahre Schuldenmisere ist Ralf Zeppernick zufolge allein in Deutschland noch viel größer. In einem Vortrag für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) wies er darauf hin, dass die Ende 2022 offiziell ausgewiesene deutsche Staatsschuld von rund 2,5 Billionen (2.400 Milliarden) Euro von „versteckten Schulden“ noch bei Weitem übertroffen worden sei.

Ralf eppernick versteht darunter „zum Beispiel die unsichtbaren Schulden der Sozialversicherungen und Gebietskörperschaften oder fehlende Rückstellungen für die Beamtenversorgungslasten“ und notiert 29 so genannte „Sondervermögen“ – eine lügnerische Bezeichnung für gepumptes Geld.

Alles in allem kommt der Ministerialdirigent a.D. für 2022 auf einen tatsächlichen deutschen Schuldenstand von schätzungsweise 15 Billionen (15.000 Milliarden) Euro – rund 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dies bedeutet konkret. die Verschuldung Deutschlands ist real höher als alles in 4 Jahren in diesem Land durch Wirtschaft und Bürger gemeinsam erwirtschaftete Geld.

Die Erfindung von Lügenhaushalten, genannt die neue „flexible Stabilität“

Oder sollten wir besser schreiben einer neuen „flexiblen Wahrheit“? Kurz vor Weihnachten einigten sich die EU-Länder, von denen 20 dem Euro-Raum angehören, auf die neuen Regeln. Neue Verfahrensweisen die nur dazu gedacht sind, dass ihre bisherigen Lügen in Bezug auf die Verschuldung dann nicht mehr nötig sind. Diese neun „Fiskalregeln“ sollen, ohne das die Bürger es merken, dann bis zur Europawahl im Juni endgültig unter Dach und Fach sein.

Die berühmten drei Prozent, mit denen Theo Waigel so unermüdlich hausieren ging, blieben auf dem Papier zwar rein formal erhalten, sind jedoch dann bedeutungslos. So wurde der neue Stabilitäts- und Wachstumspakt „flexibilisiert“, um Spielraum für sogenannte Investitionen und „antizyklische Maßnahmen“ zu geben. Also in Wirtschaftsflauten mit Staatsmitteln die Konjunktur anzukurbeln, möglicherweise aber auch Geld in fremde (kriegsführende) Länder zu verschleudern, und dafür dann auch einen Anstieg der Staatsschulden hinzunehmen. Doch es ist vor allem eine Einladung zum ungebremsten Schuldenmachen. Italien verschiebt zum Beispiel seine nun großen Kreditaufnahmen hinter diesen Termin.

Sparsamkeit herrscht nun nur noch bei der Ahndung von zukünftigen Regelverstössen

Deshalb machte die EU-Kommission auch klar, dass sie es mit Sanktionen gegen Defizitsünder weiterhin nicht so genau nehmen wolle. Solche Strafen seien, so Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis, „natürlich nicht das Mittel erster Wahl“, man müsse mit ihnen „sparsam umgehen“.

Dieses Bekenntnis zu Sparsamkeit an der absolut falschen Stelle wird sich deshalb lt. den Human Invest Analysten für den Euro auf dem Weg in das zweite Vierteljahrhundert seiner Existenz noch bitter rächen. Er ist nämlich eine Gemeinschaftswährung, hinter der nach wie vor keine wirklich gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik steht. Länderseitiger Egoismus bestimmt die Spielregeln.

Ihm haftet der Geburtsmakel an, dass er Einheit repräsentieren will, ohne Einheitlichkeit der wirtschaftspolitischen Steuerung geschaffen zu haben. Den Preis werden wohl zukünftig alle Bürger mit dem Kaufkraftverlust ihrer Währung bezahlen. Für langfristige Geldanlagen, z. B. zur Alterabsicherung ist der Euro deshalb nicht mehr zu empfehlen.

Euro-Regel Nummer eins: andere bescheissen

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) urteilte über die Zukunft der Gemeinschaftswährung, es sei zu erwarten, „dass der Euroraum ein Gebiet mit einem relativ hohen Maß an wirtschaftlichem Auseinanderstreben, finanzpolitischer Dezentralisierung und einem relativ geringen Grad an politischer Integration bleiben wird“.

Es sei „nicht gelungen, das Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den EU-Institutionen bezüglich der Rolle, die die Gemeinschaftswährung im internationalen Währungssystem spielen soll, zu überwinden“.

Zum 25-jährigen Bestehen der Europäischen Zentralbank (EZB), die im Juni 1998 ihre Arbeit aufnahm, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Der Euro definiert in vielerlei Hinsicht, was wir als Union sind.“ Da hat sie wohl absolut recht.

Ein Hühnerhaufen an Ländern, die ihre ehemals verkündeteten ehern Regeln ganz nach Bedarf biegen und brechen. Dies spiegelt absolut den Zustand des europäischen Einigungswerks als Ganzes wider: Man bescheisst sich gegenseitig, wo es nur geht.

Lagarde blickte auf die Inflation wie das Kaninchen auf die Schlange

EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ zum Jubiläum ihrer Institution in Zeitungen aller 20 Euro-Länder mit der Einschätzung von sich hören, der Euro stehe „für ein geeintes Europa der Zusammenarbeit“, zum Wohle der Bürger. Die EZB mit ihrem  „Bekenntnis zur Preisstabilität“ werde sich „stets an zentraler Stelle für dieses Vorhaben einsetzen“.

Tatsächlich starrte Lagarde viel zu lange ohne Zinsentscheidungen auf die steigende Inflationsrate wie das Kaninchen auf die Schlange. So lange, bis der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss im Juli 2023 das höchste Inflationsniveau seit Einführung des Euros und damit verbundene Armutsrisiken beklagte. Alles Dinge sehr zum Nachteil normaler Bürger.

Der Euro ist ein kleines Wunder, wenn auch vielleicht nur ein „blaues“.

Mit einer Einschätzung hatte Lagarde Recht: „Unsere Währungsunion ist in den letzten 25 Jahren mehrfach auf die Probe gestellt worden. Wir standen vor Krisen, an denen wir hätten zerbrechen können – darunter die große Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise und die Pandemie.“

Die Herausforderungen waren in der Tat enorm; es ist ein kleines Wunder, wie der Euro sich mit all seinen Konstruktionsfehlern gegen sie behauptete.

Empfehlenswerter Realismus: „Schulden sind Schulden und pleite ist pleite“

Ohne eine solidere, besser abgestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik zwischen den Euro-Ländern wird es grundsätzlich aber nicht gehen. Eine gute Richtschnur dafür ist die schlichte Wahrheit: „Schulden sind Schulden und pleite ist pleite“ (CSU-Europaabgeordneter Markus Ferber).

Die Antwort auf die Zukunft des Euros lautet – das wird als Resümee nach Darstellung seines Sündenregisters vielleicht verwundern: mehr Europa, aber bitte nicht als Schulden-Union. Vielleicht mit einer neuen, unabhängigen  Schuldenaufsichtsbehörde, wie Ferbers CDU-Kollege Markus Pieper sie vorschlug.

Doch die Bürger stimmen bei ihrer Geldanlage längst mit den Füssen ab. Kluge Anleger kennen die Risiken des Euro und verteilen inzwischen ihre Geldanlagen auch auf nicht westliche Währungen. Ausnahme hierbei der Schweizer Franken. Auch dies begründet den großen letztjährigen Erfolg von Human Invest.

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